§ 2 Abs. 1a SGB V

§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V enthält die Bestimmung: "Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen."

Gemäß § 2 Abs. 1a SGB V können aber in – lebensbedrohlichen oder vergleichbaren – Situationen auch Leistungen zu gewähren sein, deren Qualität und Wirksamkeit nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies allerdings nur, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

§ 2 Abs. 4 SGB V enthält bereits eine – prinzipiell auch in lebensbedrohlichen oder vergleichbaren Situationen zu berücksichtigende – Bestimmung, wonach grundsätzlich "Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte [… …] darauf zu achten [haben haben], dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden" dürfen. Dieses "Wirtschaftlichkeitsgebot" wird in § 12 SGB V noch einmal grundsätzlich für alle gesetzlich Krankenversicherten und alle Krankheitssituationen wiederholt und um weitere Aspekte ergänzt: "Leistungen der Krankenkassen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten."

Bei Leistungen nach § 2 Abs. 1a SGB V müssen diese Maßstäbe also auch bei Behandlungen eingehalten werden, deren Qualität und Wirksamkeit (noch) nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Wie das Maß des Notwendigen allerdings im Einzelfall festzulegen ist, kann immer nur anhand der medizinischen Situation im Einzelfall (also Krankheit und Prognose auf der einen Seite, Therapie und nachvollziehbare Erfolgshoffnung auf der anderen Seite) bestimmt werden – dafür gibt es keine allgemeinverbindlichen Kriterien.

§ 2 Abs. 4 SGB V stellt, in den Worten des Bundesverfassungsgerichts, die "einfachgesetzliche (im Unterschied zur Verfassung bzw. dem Grundgesetz) Umsetzung" der aus dem Nikolausbeschluss für die gesetzliche Krankenversicherung (bzw. für das SGB V) abzuleitenden Forderungen dar. Dabei geht § 2 Abs. 4 SGB V hinsichtlich der Anspruchskriterien (= der Kriterien, ab denen der außerordentliche Anspruch gegeben sein kann) über die Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Nikolausbeschluss noch hinaus: Das SGB V erweitert den Anspruch auch auf "wertungsmäßig gleichgestellte" Erkrankungen. Darauf wurde später vom Bundesverfassungsgericht in einigen Nicht-Annahme-Beschlüssen zu Verfassungsbeschwerden explizit hingewiesen.

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