Adeli-Therapie (Adeli-Suit, Adeli-Anzug)

Bei der Adeli-Therapie handelt es sich um eine Behandlung mit einer Adaptation der Raumanzüge der russischen Kosmonauten, die durch ihre Konstruktion die negativen Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf das Nervensystem und den Bewegungsapparat der Kosmonauten eindämmen sollen. Der “Adeli-Suit” besteht aus einem System von Stütz- und Belastungselementen. Diese sind mit elastischen Seilzügen verbunden, wodurch eine gewisse Ähnlichkeit zum menschlichen Muskelsystem hergestellt wird. Der Anzug soll den Patienten das Gefühl einer vermehrten vertikalen Stabilität vermitteln, wodurch eine Verbesserung der Propriozeption und der Bewegungskontrolle erreicht werden soll. Hierzu lässt sich z.B. dem Fachbuch von Döderlein “Infantile Zerebralparese” (Steinkopff Verlag 2007) folgende Einschätzung entnehmen:
“Als Teil eines Behandlungs- und Übungsprotokolls, das 5–7 Stunden täglich für 5–6 Tage in der Woche erfolgt, sind durchaus vorübergehende funktionelle Veränderungen vorstellbar.”

Besonderheiten der ADELI-Therapie – “Passung” im Vergleich zu den leitliniengerechten Maßnahmen in Deutschland

Die Rehabilitationsziele, die regelmäßig für eine ADELI-Therapie formuliert werden, sind deutlich als Ergänzung zu den Zielen der kontinuierlich durchgeführten ambulanten Maßnahmen und als Komplettierung dieser Maßnahmen verstehbar.
Es handelt sich um ein intensives, zeitlich begrenztes, multiprofessionell und interdisziplinär durchgeführtes, ganzheitliches Programm.

Die ADELI-Therapie wird derzeit nicht von einer stationären Rehabilitationseinrichtung in Deutschland angeboten.

Sie wird aber in einem EU-Land, in dem ADELI Medical Center in Piešťany in der Slowakei, angeboten.
Gemäß den Informationen auf der Internet-Homepage des ADELI Medical Center verfügt die Einrichtung über eine Zulassung als Rehabilitationseinrichtung gemäß den gesetzlichen Bestimmungen der Slowakei und ist als Leistungserbringer im nationalen System der Krankenkasse der Slowakei anerkannt. Den Informationen auf der Homepage des Adeli-Zentrums folgend werden dort an 6 Tagen pro Woche täglich ca. 5 Stunden Therapien an den Patienten durchgeführt, was eine sehr hohe Therapie-Intensivität bedeuten würde.

Grundsätzlich können deutsche Patienten medizinisch notwendige Leistungen in Ländern der EU bei entsprechend qualifizierten um in dem jeweiligen Land staatlich anerkannten sowie dem Sozialversicherungssystem des entsprechenden Landes angeschlossenen Leistungserbringern in Anspruch nehmen.

Wenn dies im Wege des Sachleistungsprinzips nicht möglich ist, können die Versicherten finanziell in Vorleistung treten und anschließend eine Kostenerstattung unter Berücksichtigung von § 13 Abs. 4 SGB V in Anspruch nehmen. Gemäß § 13 Abs. 4 SGB V besteht ein Anspruch auf Erstattung für Gesundheitsleistungen im EU-Ausland höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei der Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte.

Prinzipiell kommt eine Kostenerstattung medizinisch notwendiger Leistungen in dem ADELI Medical Center in Piešťany in der Slowakei gemäß § 13 Abs. 4 SGB V in Frage, da das Adeli Center in der Slowakei sowohl staatlich anerkannt ist als auch am slowakischen sozialen Krankenversicherungssystem teilnimmt.

ADELI-Therapie als NUB?

Von manchen Krankenkassen und Gutachtern der Medizinischen Dienste wird davon ausgegangen, dass es sich bei der ADELI-Therapie um eine Behandlungsmethode handelt, die sich durch ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept auszeichnet und von anderen Methoden der Neurorehabilitation unterscheidet. Daher stufen sie die Behandlung sozialrechtlich als “Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode” ein.
Es ist indes aus rein sozialmedizinischer Sicht vollkommen unklar, ob es sich hier tatsächlich um eine neue Methode (“NUB”) im Sinne des § 135 SGB V handelt.

Es könnte in diesem Zusammenhang auch von Bedeutung sein, dass im System der Gesundheitsversorgung in Deutschland prinzipiell die Einführung innovativer Methoden durch den Gesetzgeber bewusst in § 6 Abs. 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) und damit im stationären Bereich verortet wurde. Der stationäre Bereich wurde somit vom Gesetzgeber als der geeignete Eintrittsweg für innovative Verfahren in das Gesundheitssystem festgelegt.
Ob auch Kliniken der stationären Rehabilitation, die im DRG-System abrechnen, an dem Verfahren nach § 6 Abs. 2 des Krankenhausentgeltgesetzes teilnehmen, entzieht sich der Kenntnis der Gutachterin.
Rehabilitationseinrichtungen, die nach tagesgleichen Pflegesätzen abrechnen, können nicht an dem Verfahren nach § 6 Abs. 2 KHEntgG teilnehmen, so dass insgesamt der Weg für neue Methoden in der Rehabilitationsmedizin nicht gleich geregelt ist wie der für neue Methoden in akutstationären Krankenhäusern.
Den Webseiten des Gemeinsamen Bundesausschusses ist nichts bezüglich der Bewertung neuer komplexer Behandlungsverfahren in der Rehabilitationsmedizin zu entnehmen.

Dem Internetauftritt des ADELI Medical Center in Piešťany in der Slowakei kann entnommen werden, dass mehrere gesetzliche Krankenkassen Verträge mit dieser Einrichtung geschlossen haben.

Wirksamkeit

Mögliche Hinweise auf Wirksamkeit der ADELI-Therapie in Studienform existieren. Hier verlinkt ist das Ergebnis einer Recherche in der weltgrößten Datenbank medizinischer Fachliteratur, der Medline. Bei Erstellung der Suchstrategie am 20.11.2023 ergaben sich 16 Treffer mit Literaturzitaten.

Unter den gefunden wissenschaftlichen Publikationen fand sich auch eine systematische Literaturauswertung, die neben dem ADELI-Verfahren bzw. ADELI-Anzug auch andere, vom Prinzip her vergleichbare Behandlungsmethoden mit dynamischen Anzugorthesen umfasste:

Belizón-Bravo N, Romero-Galisteo RP, Cano-Bravo F, Gonzalez-Medina G, Pinero-Pinto E, Luque-Moreno C. Effects of Dynamic Suit Orthoses on the Spatio-Temporal Gait Parameters in Children with Cerebral Palsy: A Systematic Review. Children (Basel). 2021 Nov 5;8(11):1016. doi: 10.3390/children8111016. PMID: 34828729; PMCID: PMC8621824.

Die Autoren formulierten folgendes Fazit:

Die Studien von höherer methodischer Qualität zeigten nach der Intervention signifikante Veränderungen der Gehgeschwindigkeit (der am häufigsten bewertete Parameter), der Kadenz, der Schrittlänge und der Schrittlängensymmetrie. Obwohl die Evidenz begrenzt ist, scheint die Intervention mit DSO in Kombination mit einem Trainings-/Physiktherapieprogramm positive Auswirkungen auf die räumlich-zeitlichen Gangparameter (STGPs) bei Cerebralparese (cwCP) zu haben, mit den damit verbundenen funktionellen Verbesserungen. Trotz der unmittelbaren Wirkung nach einer Sitzung wird eine Anzahl von Sitzungen zwischen 18 und 60 empfohlen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Künftige Studien sollten alle raum-zeitlichen Gangparameter (STGPs) messen und nicht nur die wichtigsten, wie die Ganggeschwindigkeit, um genauere Schlussfolgerungen über die funktionelle Verbesserung des Gangs nach Anwendung dieser Art von Intervention zu ziehen.

Anbieter

Euromed Rehabilitation Center LLC in Polen
Adeli-Center in Piešťany, Slowakei

Weitere Weblinks

Nikolaus-Projekt der Ruhr-Universität Bochum zum Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.02.2014 (S 29 KR 107/12)
juris.de – Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.02.2014 (S 29 KR 107/12) – Volltext nur für Abonnenten!
dejure.org – Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.02.2014 (S 29 KR 107/12)
Besprechung des Kölner Sozialgerichts Köln vom 24.02.2014 (S 29 KR 107/12) auf den Webseiten des Elternvereins dolphin aid e.V.

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