Einzelfall-Entscheidung

Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind für die Krankenkassen verbindlich. Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss auf der Rechtsgrundlage des § 92 SGB V erlassenen Richtlinien sind nach der Rechtsprechung der mit dieser Frage befassten Senate des Bundessozialgerichts (BSG) untergesetzliche Rechtsnormen (BSG, 20.03.1996 – 6 RKa 62/94BSG, 31.05.2006 – B 6 KA 13/05 R).
Durch die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird über die vertragsärztliche Versorgung hinaus auch allgemein der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt.

Als Konsequenz des so genannten Nikolausbeschlusses (BVerfG, 06.12.2005 – 1 BvR 347/98) stellte der Gemeinsame Bundesausschuss allerdings fest, dass “… Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nicht den Einzelfall regeln…”.

Eine entsprechende Klarstellung wurde in die Verfahrensordnung des G-BA eingefügt. In § 12 der Verfahrensordnung wurde in Absatz 2 und 3 jeweils folgende Formulierung eingefügt:

“… die Behandlung im besonderen Einzelfall gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 bleibt unberührt.”

§ 13 Abs. 1 S. 2 der G-BA-Verfahrensordnung lautet seither:

“Bei der Bewertung einer Methode bleibt unberücksichtigt, ob diese im besonderen Einzelfall nach den im Leitsatz des vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98) zur Anwendung kommen kann.”

Der G-BA informierte über diese Änderungen in einer Pressemitteilung vom 20.01.2011 mit dem Titel “G-BA regelt nicht den Einzelfall – Nikolausbeschluss des Bundesverfassungsgerichts gilt auch bei ausgeschlossenen Methoden”. Der Pressemitteilung ist folgendes zu entnehmen:

“Da Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nicht den Einzelfall regeln, können gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten in Ausnahmefällen auch auf vom G-BA ausgeschlossene Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Anspruch nach dem so genannten Nikolausbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) haben …”.

Die Pressemitteilung benennt als notwendige Einzelfallentscheidungs-Gründe zwar lediglich “Ausnahmefälle … nach dem so genannten Nikolausbeschluss”; auch die Verfahrensordnung benennt als besondere Einzelfälle konkret nur Konstellationen, auf die die Voraussetzungen des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses vom 06.12.2005 zutreffen. Hieraus folgt jedoch nicht automatisch, dass andere Einzelfallentscheidungs-Gründe nicht existieren oder grundsätzlich nicht rechtskonform wären.

Ermessensleistungen

Allgemeine Grundsätze1:

Krankenkassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung; vgl. § 4 V SGB. Die Krankenkassen handeln somit nach Normen (= Regel, Richtschnur, Vorschrift, Gesetz) die dem öffentlichen Recht angehören. Bescheide der Krankenkassen stellen Verwaltungsakte dar.
Der Begriff Verwaltungsakt umfasst jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.

In gesetzlich bestimmten Ausnahmen ist den Krankenkassen für die Gewährung der Leistung ein Ermessen eingeräumt, z. B. in § 23 Abs. 2 S. 1 u. Abs. 5 S.1, § 37 Abs.1 S. 5 und § 43 Abs.1 SGB V. Dabei besitzen die Versicherten einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens; bei sachgerechter Wahrnehmung ergibt sich häufig eine Ermessensreduzierung auf Null, insbesondere wenn dezidierte Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei der Ausübung von Ermessen darf in der GKV grundsätzlich nicht auf die Ursache der Erkrankung oder Verletzung abgestellt werden; Ausnahme in § 52 Abs. 1 SGB V: Leistung kann reduziert werden, wenn ihre Ursache in einem vorsätzlichen Verbrechen oder Vergehen liegt. Das gleiche gilt für die Folgen bestimmter medizinisch nicht indizierter Maßnahmen (z.B. Schönheitsoperationen, Piercing, § 52 Abs. 2). Für die Folgen sonstiger gesundheitsschädlicher Lebensführung sieht das Gesetz keine Sanktionen vor.
Die Gewährung gesetzlich nicht vorgesehener Leistungen – etwa aus Kulanz oder Mildtätigkeit – ist gem. § 30 SGB IV nicht zulässig. Soweit sich die Leistungsgewährung auf Ausnahmen beschränkt und nicht werbemäßig “ausgeschlachtet” wird, können die Aufsichtsbehörden im Rahmen ihrer Opportunität auf ein Einschreiten verzichten.

Allgemeines Ermessen im Verwaltungsrecht2:

Sofern der Gesetzgeber der Verwaltung in der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage nicht zwingend vorschreibt, welche Maßnahme sie bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu ergreifen “hat” bzw. ergreifen “muss” (gebundene Entscheidung, z.B. § 15 Abs. 2 GastG: Die Erlaubnis “ist zu widerrufen”), sondern ihr vielmehr einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Bestimmung der Rechtsfolge im Einzelfall überlässt (Verhaltensalternativen, Ermessen; z.B. § 15 Abs. 3 GastG: Die Erlaubnis “kann widerrufen werden”), so hat die Behörde das ihr durch eine solche Ermächtigungsnorm eingeräumte Ermessen gem. § 40 VwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
Ergibt sich aus der jeweiligen Vorschrift keine entsprechende Einschränkung, so bezieht sich das durch sie der Behörde eingeräumte Ermessen regelmäßig (so z.B. auch in § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG) sowohl auf die Entscheidung, “ob” sie im konkreten Fall überhaupt tätig werden will (z.B. Entschluss der Behörde gem. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG, den Verwaltungsakt zurückzunehmen), als auch – falls die Behörde dieses Entschließungsermessen zugunsten eines Tätigwerdens ausübt – darauf, “wie” die Behörde tätig werden will, d.h. welche der ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen sie gegenüber wem ergreift (Auswahlermessen, z.B. vollständige Rücknahme des Verwaltungsakts mit Wirkung ex tunc). 
Mit der Eröffnung eines derartigen Entscheidungsspielraums zugunsten der Verwaltung zielt der Gesetzgeber v.a. auf die Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit ab. Die Behörde wird in die Lage versetzt, unter Beachtung von Sinn und Zweck der betreffenden gesetzlichen Regelung einerseits und der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls andererseits eine flexible Lösung zu treffen.
Vorschriften, durch die der Gesetzgeber der Behörde Ermessen einräumt, sind regelmäßig daran zu erkennen, dass sie in Bezug auf die in ihnen jeweils vorgesehenen Rechtsfolgen Formulierungen wie “kann”, “darf”, “soll”, “ist ermächtigt”, “ist berechtigt” bzw. “ist befugt” etc. enthalten. Gelegentlich wird in einer Norm auch ausdrücklich angeordnet, dass die Behörde nach “Ermessen” entscheidet (z.B. § 22 S. 1 VwVfG), oder es ist ihr eine solche Rechtsfolge umgekehrt erst im Wege der weiteren Auslegung zu entnehmen (…). Ausnahmsweise verwendet der Gesetzgeber die o.g. Begriffe (v.a. “kann”) allerdings nicht dazu, um der Behörde Ermessen einzuräumen (“Ermessens-Kann”), sondern vielmehr, um dieser eine bestimmte Befugnis zuzuweisen (“Kompetenz-Kann”). In diesen mittels Norminterpretation abzugrenzenden Fällen erhält die Verwaltung eine bestimmte Kompetenz zugewiesen, welche bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen wahrgenommen werden muss.
Doch auch wenn feststeht, dass durch die betreffende Rechtsvorschrift der Behörde Ermessen eingeräumt wird, so bedeutet dies keinesfalls, dass diese insoweit völlig frei i.S.v. “beliebig” bzw. “willkürlich” handeln dürfte. Vielmehr wird das behördliche Ermessen allgemein dadurch eingeschränkt, dass dessen Ausübung stets gesetzmäßig (“pflichtgemäß”, …) erfolgen muss, d.h. im Zusammenhang mit der Ermessensausübung keine Rechtsfehler auftreten dürfen, vgl. § 40 VwVfG.

Ermessensfehler i.d.S., deren Vorliegen durch eine mangelhafte formelle Begründung nach § 39 Abs. 1 VwVfG indiziert wird, sind gegeben, wenn:

  • die Behörde das von ihr auszuübende Ermessen nicht (Ermessensnichtgebrauch, -ausfall) oder nur in unzureichendem Umfang Ermessensunterschreitung) gebraucht, siehe § 40 VwVfG: “hat […] Ermessen […] auszuüben”. Denn der Zweck der Ermessenseinräumung ist grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen auch tatsächlich betätigt. Fälle des Ermessensnichtgebrauchs beruhen typischerweise auf einem entsprechenden Irrtum der Behörde, nämlich dass ihr entweder überhaupt kein Ermessen zustehe oder aber dieses beschränkt sei. Gründe hierfür können beispielsweise eine falsche Gesetzesauslegung, die Anwendung einer nichtigen Rechtsvorschrift, einer rechtswidrigen Verwaltungsvorschrift oder eine zu Unrecht als bindend erachtete Verwaltungspraxis sein. Ausnahmsweise unschädlich ist der Ermessensnichtgebrauch hingegen bei vom Gesetzgeber intendierten Entscheidungen, sofern es sich beim konkreten Fall nicht um eine atypische Konstellation handelt;
  • die Behörde nicht “entsprechend dem Zweck” der das Ermessen vorsehenden Vorschrift handelt, § 40 VwVfG. Ein derartiger Ermessensfehlgebrauch (-missbrauch; Verletzung der inneren Ermessensgrenzen) ist zu bejahen, wenn die Behörde ihre Ermessensentscheidung auf unzutreffende bzw. unvollständige Tatsachen oder nach dem Sinn der Ermessensvorschriftsachfremde (z.B. persönliche oder parteipolitische) Erwägungen stützt;
  • die Behörde die (äußeren) “gesetzlichen Grenzen des Ermessens” überschreitet, § 40 VwVfG (Ermessenüberschreitung). Das ist dann der Fall, wenn die Behörde im konkreten Fall eine Entscheidung trifft, die in der einschlägigen Rechtsnorm abstrakt so nicht vorgesehen ist (z.B. setzt die Behörde für die Entscheidung über die Erlaubnis zur Ausübung des Bewachungsgewerbes i.S.v. § 34a Abs. 1 GewO im konkreten Fall eine Gebühr i.H.v. 2000 € fest, obwohl nach der einschlägigen Tarifstelle 12.8.1 AVerwGebO NRW die Gebühr nur 100 bis 1500 € beträgt). Ferner gehören hierzu ebenfalls solche Maßnahmen, die gegen das EU-Recht, die Grundrechte (z.B. Art. 3 Abs. 1 GG), sonstiges Verfassungsrecht oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatzverstoßen (zur Ermessensreduzierung auf Null siehe Rn. 231).

Nicht um einen – der gerichtlichen Überprüfung zugänglichen – Rechts- bzw. Ermessensfehler handelt es sich demgegenüber dann, wenn die von der Behörde getroffene Ermessensentscheidung lediglich unzweckmäßig ist. Ob die Behörde von mehreren rechtlich zulässigen Entscheidungen diejenige wählt, welche auch nach außerrechtlichen Richtigkeitsmaßstäben (z.B. Wirtschaftlichkeit, Praktikabilität, Bürgernähe) vorzugswürdig erscheint, ist als Frage nach der reinen Zweckmäßigkeit (Opportunität) des Verwaltungshandelns der justiziellen Kontrolle entzogen. Die Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts wird – neben dessen Rechtmäßigkeit – vielmehr im behördlichen Widerspruchsverfahren nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO geprüft.
Neben der Vermeidung von Ermessensfehlern ist die behördliche Einzelfallentscheidung trotz Vorliegens einer Ermessensnorm u.U. gleichwohl auch dann auf ein bestimmtes Ergebnis vom Gesetzgeber vorprogrammiert, wenn dieser in der betreffenden Ermessensnorm zum Ausdruck bringt, dass die Behörde im Regelfall eine bestimmte Entscheidung treffen soll (…), sog. “intendiertes Ermessen” – was ggf. erst infolge weiterer Auslegung zu ermitteln sein kann … Für eine von der legislativen Intention abweichende Ermessensentscheidung der Behörde bleibt dann nur insoweit Raum, als im Einzelfall besondere Umstände vorliegen. Folgt die Behörde in ihrer Entscheidung der für die typische Fallkonstellation vom Gesetzgeber Vorgesehenen, so bedarf es hierfür nach der Rechtsprechung keiner spezifischen Ermessensabwägung und damit auch keiner näheren Begründung nach § 39 Abs. 1 VwVfG mehr.
Da Verwaltungsvorschriften als abstrakt-generelle (Behördeninnen-)Regelungen naturgemäß nur den “typischen” Fall erfassen, ist der mit der Einzelfallentscheidung betraute Amtswalter gehalten zu prüfen, ob die konkreten Umstände nicht derart besonders sind, dass sie ein von der in der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift für den Regelfall vorgesehenen Entscheidung abweichendes Verwaltungshandeln gebieten. … auch an eine zulässigerweise ergangene ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift ist die Verwaltung nicht starr gebunden, sondern kann … diese aus sachlichen Gründen (Willkürverbot) – ggf. unter Beachtung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes (Übergangsregelung!) – für die Zukunft auch teilweise modifizieren oder gar vollständig aufheben.
… Ob ein … (richtlinienabweichendes) Verwaltungshandeln mit dem Allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, beurteilt sich … allein nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis. Isoliert aus deren bloßer Unvereinbarkeit mit der jeweiligen Verwaltungsvorschrift folgt dagegen noch nicht ihre Rechtswidrigkeit.

Spezialfall “besondere Therapierichtungen”:

Das BSG befasste sich in dem Urteil vom 22.3.2005, Az. B 1 A 1/03 R mit der Frage, ob die Grundsätze bezüglich der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses auch dann uneingeschränkte Anwendung finden, wenn es um die Leistungspflicht für neue Behandlungsmethoden und Heilmittel im Bereich der “besonderen Therapierichtungen” geht.

Da § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V bestimmt, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem “allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse” zu entsprechen haben, könnte dies die Annahme rechtfertigen, sämtliche Leistungen, d.h. auch diejenigen der besonderen Therapierichtungen, dürften nur bei entsprechender wissenschaftlicher Nachprüfbarkeit gewährt werden.
Darüber, wie das Spannungsverhältnis beider Regelungen zueinander aufzulösen ist, gibt das Gesetz indessen nach der Auffassung des BSG keinen endgültigen Aufschluss.
Das BSG war hier der Meinung, dass ein aufsichtsrechtliches Einschreiten des Bundesversicherungsamtes in Form eines absoluten Verbotes von Kostenübernahmen für alternative Therapien nicht gerechtfertigt war.

Auszüge aus dem Urteilstext:

“… muss die Aufsichtstätigkeit der Beklagten dem Selbstverwaltungsrecht der Klägerin als Träger mittelbarer Staatsverwaltung (vgl. § 29 SGB IV) Rechnung tragen. Dabei ist zu beachten, dass der eigenverantwortliche Vollzug einer detaillierten Sozialgesetzgebung zum wesentlichen Kompetenzbereich der Selbstverwaltunggehört … Unter diesem Blickwinkel ist es einer Aufsichtsbehörde verwehrt, ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen der beaufsichtigten Körperschaft zu setzen, sofern Rechtsfragen zum Anlass einer Beanstandunggenommen werden, die (bislang) weder das Gesetz noch die Rechtsprechung in eindeutiger Weise beantwortet hat. Ein rechtmäßiges aufsichtsrechtliches Einschreiten erfordert daher, dass das Bundesversicherungsamt zu Recht davon ausgehen durfte, dass die klagende BKK mit ihrem Handeln Rechtsverstöße begangen hat. Der Grundsatz maßvoller Ausübung der Rechtsaufsicht gebietet es in diesem Zusammenhang, der beaufsichtigten Behörde einen gewissen Bewertungsspielraum zu belassen. … Der Bewertungsspielraum des Beaufsichtigten endet allerdings, wenn er gegen allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe verstoßen hat, die diesen Spielraum einengen oder ausschließen. Bewegt sich das Handeln oder Unterlassen des Versicherungsträgers dagegen im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren, sind förmliche Aufsichtsmaßnahmen, die dieses beanstanden, rechtswidrig.
[…]
Dem aufsichtsbehördlichen Einschreiten der Beklagten steht entgegen, dass weder durch das Gesetz noch durch gesetzesauslegende höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend abgesichert ist, dass die von ihr hervorgehobenen, zu den neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie Heilmitteln entwickelten leistungsrechtlichen Grundsätze auf entsprechende Leistungen der besonderen Therapierichtungen uneingeschränkt zu übertragen sind oder ob insoweit Abweichungen und Modifizierungen in Betracht kommen.”
[…]
So wurde auch im Gesetzgebungsverfahren auf die anzuerkennenden “besonderen Wirkprinzipien” der hervorgehobenen Therapierichtungen verwiesen und immerhin ausgeführt, dass eine schulmedizinische Sichtweise nicht alleiniger Bewertungsmaßstab für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht sein dürfe (vgl. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Entwurf des GRG, BT-Drucks 11/3480 S 34).
Was insoweit konkret zu gelten hat, wird … durch eine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung bislang nicht beantwortet. … Ebenso wenig ist entschieden worden, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn seit Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 Empfehlungen des Bundesausschusses zu den Leistungen für eine besondere Therapierichtung insgesamt nicht ergangen sind und von daher der Gedanke an eine massive Systemstörung insoweit zumindest nicht gänzlich abwegig erscheint. Die bisherige Rechtsprechung enthält auch keine allgemeingültigen therapierichtungsübergreifenden leistungsrechtlichen Aussagen zu sämtlichen in Betracht kommenden Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie Heilmitteln, … Leistungen der besonderen Therapierichtungen […] müssten … wegen des Wissenschaftlichkeitsgebots nicht jeglicher Qualitätskontrolle entzogen seien; daraus folgt indessen nicht schon, dass auch im Rahmen einer aufsichtsrechtsrechtlichen Beanstandung davon ausgegangen werden dürfte, dass insoweit auch dieselben Grundsätze für die Leistungspflicht im Regelfall und im Ausnahmefall eines Systemversagens zu gelten hätten wie bei schulmedizinisch orientierten Leistungen.

Weblinks

Fußnoten

1. Quelle: Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (IDEAS); Vorlesungsfolien GKV: Allgemeine Grundsätze des Leistungsrechts

2Juracademy: Allgemeines Ermessen im Verwaltungsrecht

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