Arzneimittel – Einzelimport

Grundsätzlich haben gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland gemäß § 31 SGB V Anspruch auf die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln (soweit diese nicht gemäß § 34 SGB V oder durch eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind).

Als weitere Voraussetzung für eine Leistungspflicht der GKV wird von den Sozialgerichten die Zulassung durch die, für den deutschen Arzneimittelmarkt zuständigen nationalen Zulassungsbehörden (BfArM und PEI) oder – infolge einer Empfehlung der europäischen Zulassungsbehörde EMA – der Europäischen Kommission gesehen.

Die EU Kommission fasst auf ihren Webseiten Informationen zu Medicinal products zusammen, die sowohl Verweise zur Medikamenten-Datenbank “Union Register” enthalten als auch Verweise zu EU-Regularien.
Das Union Register of medicinal products enthält alle Zulassungsinformationen der Europäischen Kommission.
Unter Adopted Commission Decisions of the last six months werden die aktuellsten Zulassungen und Zulassungsänderungen angezeigt.

Gemäß § 73 Abs. 1 AMG (Arzneimittelgesetz) dürfen zulassungs- oder registrierungspflichtige Arzneimittel in die Bundesrepublik Deutschland (=Geltungsbereich des AMG) nur verbracht werden, wenn sie hier zugelassen, nach § 21a AMG genehmigt oder registriert oder von der Zulassung oder der Registrierung freigestellt sind. Darüber hinaus bestimmt §73 Abs.1 Nummer 1, dass die betreffenden Arzneimittel nur an Empfänger ausgeliefert werden dürfen, die pharmazeutischer Unternehmer, Großhändler oder Tierarzt oder eine Apotheke oder ein nach dem Apothekengesetz mit Arzneimitteln versorgtes Krankenhauses sind.

Gemäß § 73 Abs. 3 AMG AMG dürfen formal in Deutschland nicht verkehrsfähigeeinzeln importierte Arzneimittel legal in geringen Mengen, auf besondere Bestellung einzelner Personen – und nur auf ärztliche oder zahnärztliche Verschreibung – durch Apotheken beschafft und an Verbraucher abgeben werden, wenn sie im Herkunftsland legal im Handel bzw. dort zugelassen sind.

Ein Arzneimittel-Individualimport darf nicht zu einem Verstoß gegen das Arzneimittelrecht führen; dies gilt unabhängig von der Frage der Leistungspflicht der GKV!

Beispiel:

Das Arzneimittel Ukrain oder “NSC-631570” wurde (und wird noch im Internet) als universales Krebsheilmittel beworben. Laut Informationen des Herstellers/Erfinders bestehen Arzneimittelzulassungen u. a. in der Ukraine, Aserbaidschan, Georgien, Tadschikistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Mexiko.
Es handelt sich aber um ein Arzneimittel, das vom BfArM als “bedenkliches Arzneimittel” eingestuft wurde und das daher in Deutschland weder als Arzneimittel in Verkehr gebracht noch bei Patienten angewendet werden darf. Ein Import von Ukrain würde einen Verstoß gegen das Arzneimittelrecht darstellen.

Bezüglich der Leistungspflicht der GKV für einzelimportierte Arzneimittel ist die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu beachten. Dieses hatte in einem Grundsatzurteil am 04.04.2006B 1 KR 7/05 R; Tomudex-Urteil) folgende Kriterien benannt, die zu einer Leistungspflicht der GKV für einzeln nach § 73 Abs. 3 AMG importierte, weder national in Deutschland noch durch die EMA im zentralisierten europäischen Verfahren zugelassene Arzneimittel führen:

  1. eine lebensbedrohliche, regelmäßig tödliche oder andere akut notstandsähnliche Erkrankung vorliegt,
  2. keine anerkannten schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und
  3. für die beabsichtigte Arzneimitteltherapie auf Indizien gestützte Hinweise für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf positive, spürbare Einwirkung auf den Behandlungsverlauf oder auf Heilung vorliegen.

Darüber hinaus sollte hinsichtlich der Therapie mit einem, im Einzelfall importierten Arzneimittel

  • a. Bezogen auf den konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bei Abwägung von Chancen und Risiken der voraussichtliche Nutzen überwiegen.
  • b. Die – in erster Linie fachärztliche – Behandlung auch im Übrigen den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend durchgeführt und ausreichend dokumentiert werden.

Wenn ein gestzlich krankenversicherter Patient oder eine gesetzlich krankenversicherte Patientin ein, in Deutschland nicht zugelassenes Arzneimittel als Kassenleistung in Anspruch nehmen möchte, ist eine Grundvoraussetzung die, dass der Import arzneimittelrechtlich unbedenklich sein muss.

Darüber hinaus muss die betroffene Krankenkasse prüfen, ob im Einzelfall die sozialrechtlichen Vorraussetzungen für einen Leistungsanspruch unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien vorliegen. oder ob sich ggf. eine Leistungspflicht aufgrund von § 2 Abs. 1a SGB V ergibt.

Grundsätzlich schließt diese Überprüfung alle für die Arzneiversorgung relevanten Regelungen des SGB V ein, wie z. B. die Regelungen nach § 34 SGB V zu apothekenpflichtigen Arzneimitteln und die Bestimmungen bezüglich unwirtschaftlicher Arzneimittel); allerdings sind diese Bestimmungen in Fällen des § 2 Abs. 1a SGB V faktisch kaum von Bedeutung (da in diesen Fällen auch Leistungen in Frage kommen, deren Qualität und Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist).


Hinweise zum Vorgehen in der MDK-Begutachtung zu einzelimportierten Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 AMG und nähere Einzelheiten finden sich in der Begutachtungsanleitung zu einzelimportierten Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz auf den MDS-Webseiten.


Die in der Begutachtungsanleitung zu einzelimportierten Arzneimitteln aufgeführten Kriterien kommen nicht zum Ansatz, wenn ein EU-weit (im zentralen europäische Zulassungsverfahren bei der EMA) zugelassenes Fertigarzneimittel entsprechend § 73 Abs. 1 AMG aus dem Ausland nach Deutschland verbracht wird.

Mit Einführung der (frühen) Nutzenbewertung nach § 35a SGB V tritt diese Situation gelegentlich auf, wenn nach fehlender Anerkennung eines Zusatznutzens durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (s.a. G-BA – Nutzenbewertung nach §35a SGB V und Übersicht der Wirkstoffe) EU-weit – und damit de facto auch in Deutschland – zugelassene Fertigarzneimittel von pharmazeutischen Unternehmern aus wirtschaftlichen Gründen nicht in den deutschen Markt gebracht oder aus diesem zurückgezogen werden.
Die europaweit erteilte Zulassung besteht unabhängig von den Ergebnissen der frühen Nutzenbewertung aber in Deutschland weiter. Daher handelt es sich bei entsprechenden Arzneimitteln, wenn sie aus dem Ausland bezogen werden, nicht um Import-Arzneimittel im Sinne der Begutachtungsanleitung zu einzelimportierten Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz. Die Arzneimittel können aber – aufgrund der Einstufung im Rahmen der Nutzenbewertung durch den G-BA – als unwirtschaftlich anzusehen sein. Eine unwirtschaftliche Verordnung kann zu Regressansprüchen gegenüber den verordnenden Ärzten führen.

Die Kriterien für einzeln importierte Arzneimittel gelten nicht für Re- und Parallelimporte, da es sich bei diesen (ebenfalls) um in Deutschland zugelassene Arzneimittel handelt.

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