NUB: “Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode”

Im Unterschied zur Umgangssprache wird im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung die Einordnung einer Untersuchungsmethode oder eines Behandlungsverfahrens als “Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode” oder “NUB” meistens so definiert, dass es sich um eine Leistung handelt, die (noch nicht oder nicht mehr) über den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) für die ambulante Regelversorgung (= “Einheitlicher Bewertungsmaßstab“) abgerechnet werden kann.

Solche Leistungen werden von den Krankenkassen (im Allgemeinen) nicht erstattet; auch dann nicht, wenn Versicherte sich für das Prinzip der Kostenerstattung entschieden haben.
Auch sehr alte und schon lange bekannte Methoden können von den Krankenkassen oder den Sozialgerichten leistungsrechtlich bzw. sozialrechtlich als “NUB” eingestuft werden. Die Bezeichnung “neu” im Zusammenhang mit GKV-Leistungen bezieht sich nur auf die leistungsrechtliche bzw. sozialrechtliche Einstufung einer medizinischen Verfahrensweise (Diagnostik oder Behandlung).

Probleme mit der Definition von “NUB” anhand des Leistungskataloges

Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) vom 16.07.2015 wurde in das fünfte Sozialgesetzbuch eine Änderung in § 87 Abs. 3e mit möglicherweise erheblicher Folgewirkung eingefügt.

Dem neu gefassten § 87 Abs. 3e SGB V ist zu entnehmen, dass der so genannte Bewertungsausschuss “in eigener Verantwortung” neue Leistungen in den den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) für die ambulante Regelversorgung (= “Einheitlicher Bewertungsmaßstab“) aufnehmen kann (oder auch muss).

Damit kann aber nicht mehr automatisch davon ausgegangen werden, dass medizinische Leistungen, die in der ambulanten Krankenversorgung noch keine Regel-Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen sind, auch automatisch als “neue Methoden” zu gelten haben; selbst dann nicht, wenn sie grundsätzlich womöglich einen “Methoden-Charakter” haben.

Unter Berücksichtigung dieser Vorschrift in § 87 Abs. 3e SGB V wäre aus Gründen der Logik davon auszugehen, dass es für die Einordnung einer Leistung als neue Methode im Sinn des § 135c SGB V erforderlich ist, dass vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine Bewertung dieser medizinischen Verfahrensweise (Diagnostik oder Behandlung) beschlossen wurde.

NUB in der ambulanten Versorgung

Unstrittig scheint zu sein, dass eine Aufnahme von “NUB” in den Regelleistungskatalog der ambulanten Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 135 SGB V erfordert, dass die medizinische Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Methode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in einem formalisierten Verfahren für den Einsatz zu Lasten der GKV geprüft und bestätigt wird.

Wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Methode positiv bewertet hat, wird diese in eine Richtlinie des G-BA aufgenommen. Einige Methoden finden Eingang in speziellen Richtlinien, wie z.B. den Mutterschafts-Richtlinien oder den Richtlinien Künstliche Befruchtung. Methoden, die keiner spezifischen Richtlinie zugeordnet sind, werden in einer Liste positiv bewerteter Methoden, in einem Anhang zur Richtlinie Methoden Vertragsärztliche Versorgung aufgenommen. Eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 135 Abs.1 SGB V bewertete Methode kann den gesetzlich Krankversicherten erst nach Aufnahme in eine G-BA-Richtlinie als Regelfall-Leistung angeboten werden.

Behandlungen oder Untersuchungen, die im aktuellen Abrechnungskatalog für die vertragsärztliche Versorgung (Einheitlicher Bewertungsmaßstab; “EBM”) an keiner Stelle aufgeführt sind, können von den gesetzlichen Krankenkassen allerdings als Satzungsleistung oder im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 ff. SGB V oder aufgrund von Verträgen zur Besonderen (Früher: Integrierten) Versorgung nach § 140a ff. SGB V oder – über den “Umweg” Innovationsausschuss des G-BA” im Rahmen von Innovations-Förder-Projekten – getragen werden.

Neue Leistungen (gemäß § 87 Abs. 3e Satz 4 SGB V), die nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bewertet und demzufolge auch nicht vom G-BA ausgeschlossen wurden, kann eine Krankenkasse grundsätzlich bei medizinischer Notwendigkeit in Einzelfällen auch im Rahmen von Ermessensentscheidungen (Einzelfallentscheidungen) gewähren.

Leistungsmöglichkeiten der gesetzlichen Krankenversicherungen außerhalb des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs bestehen nur, solange es sich bei einer Leistung nicht um eine neue Methode (NUB) handelt, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen einer Methodenbewertung von den Leistungen ausgeschlossen wurde, die die gesetzlichen Krankenkassen für ihre Versicherten erbringen dürfen.

Vom G-BA ausgeschlossene Methoden dürfen auch in Einzelfällen nur ganz ausnahmsweise von den gesetzlichen Krankenkassen als Leistungen gewährt werden. Bei solchen ausgeschlossenen Leistungen gilt als Voraussetzung für eine Leistung der GKV, dass die Kriterien des § 2 Abs. 1a SGB V erfüllt sein müssen, damit eine Krankenkasse die ausgeschlossene Leistung gewähren kann.

Sozialrechts-Geschichte der “neuen Methoden”

Die heutige sozial- und leistungsrechtliche Einstufung “neuer Methoden” ist keine abgeschlossene Entwicklung. Bei der Einordnung von Methoden und “NUB” zeigen sich Diskrepanzen und Unklarheiten.

Grundsätzlich baut die sozialrechtliche Betrachtung auf der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auf.

Das Bundessozialgericht (BSG) formulierte 1995 in einem damals viel beachteten Urteil (BSG 1 RK 6/95) grundsätzliche Anforderungen an Wirksamkeitsnachweise für Methoden, die in die Leistungspflicht der GKV fallen sollen.
Der zweite Leitsatz des damaligen Urteils lautete:

Eine Leistungspflicht der Krankenkassen für eine Behandlungsmethode, die von den Bundesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen bisher nicht empfohlen worden ist, kommt nur in Betracht, wenn sich die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachweisen lässt und gegen die Qualität der Methode – auch unter Berücksichtigung eventueller Nebenwirkungen – keine durchgreifenden Bedenken bestehen.

Allerdings wurden und werden nicht alle Methoden einer solchen formalisierten Überprüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unterzogen.
Unter anderem blieben zunächst alle Leistungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V bereits Kassenleistung waren, auch weiterhin Leistungen der GKV und galten somit als “anerkannte Leistungen”.
Der Zeitpunkt des ersten Inkrafttretens des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V war der 1.1.1989. Zu diesem Zeitpunkt ist erstmals das SGB V und mit diesem auch die erste Fassung des § 135 in Kraft getreten, wie der Präambel des SGB V zu entnehmen ist (“Das G ist gem. Art. 79 Abs. 1 G 860-5-1 v. 20.12.1988 I 2477 (GRG) am 1.1.1989 in Kraft getreten”).

Das Bundessozialgericht formulierte zu diesem Sachverhalt z.B. im BSG-Urteil B 6 KA 48/09 R vom 13.10.2010 (Ziffer 26):

“Neu ist eine Behandlungsmethode zunächst dann, wenn sie erst nach Inkrafttreten des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V – also erst in der Zeit seit dem 1.1.1989 – als kassen- bzw vertragsärztliche Behandlungsmethode praktiziert worden ist.”

Somit ist der 1.1.1989 ein “Grenzdatum“: Alle Methoden, die bis zu diesem Datum im Leistungskatalog enthalten waren (einschließlich Rezepturen und Hilfsmittel) waren und sind primär Regelleistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen.

Situation vor dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG)

Neue Leistungen gelangten auch vor Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSGohne formalisierte Methodenbewertung des G-BA in den Regelleistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen:
Laborleistungen, aber auch andere Leistungen, wurden regelhaft in den Verhandlungen des Bewertungsausschusses in neue Revisionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) aufgenommen – oder gelegentlich auch daraus entfernt.

Änderungen des “EBM” als Regelleistungskatalog der Krankenversicherung beruhen in der Regel nicht auf nachprüfbaren Methodenbewertungen. Dies betraf durchaus auch vor dem GKV-VSG Methoden im Sinne der Definition des BSG. Allerdings wurden Methoden, die sich in einem Bewertungsverfahren durch den G-BA (nach § 135 SGB V) befanden, niemals vom Bewertungsausschuss eigenmächtig in den EBM aufgenommen.

Die Regelung in § 87 Abs. 3e Satz 4 SGB V ist dahingehend neu, dass sie den Bewertungsausschuss nunmehr verpflichtet, “im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den einheitlichen Bewertungsmaßstab in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die nach § 135 Absatz 1 Satz 1 zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf.”

Ambulante spezialfachärztliche Versorgung

Neue Leistungen, die in der ambulanten Regelversorgung keine Kassen-Regelleistungen sind, können im Rahmen der so genannten “Ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung” nach § 116 b SGB V auch in der ambulanten Versorgung eine Kassenleistung (“Sachleistung” für die von Versicherten keine Zahlungen geleistet werden müssen; außer ggf. Zuzahlungen) sein.

Dies kann sich auch auf Methoden erstrecken, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einer Methodenbewertung ohne positiven Beschluss unterzogen wurden. Dies trifft z.B. auf die PET-CT in einigen Indikationen zu, die nicht der Regelversorgung angehören.

Methodenbewertung im stationären Bereich

Auch im Krankenhaus können Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) z.B. als unwirtschaftlich oder unzweckmäßig eingestuft und sozialrechtlich vom Leistungsgeschehen in der GKV ausgeschlossen werden. Die entsprechende Regelung findet sich in § 137c SGB V (So genannter Verbotsvorbehalt im stationären Bereich).

Eine Auflistung der Methoden, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss von der Krankenhausbehandlung zu Lasten der GKV ausgenommen wurden, findet sich in der “Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung“. Dort werden in “Anlage I” Methoden aufgeführt, über die der G-BA beraten hat und sie als weiterhin notwendig eingestuft hat – die also nach Überprüfung durch den G-BA weiterhin als GKV-Leistungen im Krankenhaus verbleiben sollen. Des Weiteren führt die “Anlage II” Methoden auf, zu denen der G-BA beraten, aber noch keine Entscheidung getroffen und somit eine Beschlussfassung ausgesetzt hat. Diese Methoden (also sowohl “Anlage-I-” als auch “Anlage-II-Methoden”) können weiterhin als Kassenleistung (über geeignete Fallpauschalen) abgerechnet werden.

Im Prinzip können Methoden, die für den ambulanten Bereich vom G-BA als “NUB” eingestuft wurden, im Krankenhaus ohne eine Erlaubnis des Gemeinsamen Bundesausschusses erbracht werden. Das kann sinnvoll sein bei Methoden, die aus Gründen der Qualitätssicherung und/oder der Patientensicherheit nur stationär eingesetzt werden sollten.

Allerdings sind dabei grundsätzlich die wesentlichen sozialrechtlichen Regelungen für die Patientenversorgung im System der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachten, insbesondere die §§ 2, 12 und 70 des SGB V. Auch im Krankenhaus gelten die Maßstäbe einer wirtschaftlichen, notwendigen und ausreichenden Versorgung:

Dies bedeutet, dass die Versorgung zugleich ausreichend und zweckmäßig sein muss, ohne dass den Patienten medizinisch notwendige Leistungen (z. B. aus ökonomischen Erwägungen des Krankenhauses) vorenthalten werden.
Anders ausgedrückt: Ist eine Methode so neu, dass sie im DRG-Fallpauschalenkatalog nicht ausreichend berücksichtigt wird, kann die Leistung für das Krankenhaus unwirtschaftlich sein. Wenn die neue Methode im Einzelfall medizinisch notwendig ist, müsste sie dennoch durch das Krankenhaus erbracht und im Rahmen der bestehenden DRG-Fallpauschalen abgerechnet werden.

Da dies allerdings unter Umständen zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden für ein Krankenhaus und sogar zum wirtschaftlichen Zusammenbruch eines Krankenhauses führen könnte, wurden spezielle Regelungen für “neue Methoden” im Krankenhausentgeltgesetz eingefügt:  

Das Gegenteil einer ambulanten “NUB”: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 6 Abs. 2 KHEntgG

Werden im Krankenhaus neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden eingesetzt, die (noch) nicht spezifisch im DRG-Kalkulationssystem abgebildet sind, kann die Klinik einen so genannten “NUB”-Antrag nach § 6 KHEntgG an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) richten. Sofern das InEK die Einschätzung des anfragenden Krankenhauses bestätigt, dass die Methode mittels vorhandener Abrechnungsmöglichkeiten vom Krankenhaus nicht kostendeckend zu erbringen ist, wird die Methode mit dem “Status 1” eingestuft und das beantragende Krankenhaus kann Verhandlungen zur Vereinbarung eines krankenhausindividuellen NUB-Entgeltes mit der GKV aufnehmen.

Eine Aussage über den medizinischen Nutzen, die medizinische Sinnhaftigkeit oder Effektivität der Methode ist mit der Einstufung einer Methode durch das InEK im Rahmen des “NUB-InEK-Verfahrens” nicht verbunden.

Bemerkenswert und – aufgrund der unterschiedlichen Verwendung des Begriffs “Neue Methode” oder “NUB” – sehr verwirrend ist es jedenfalls, dass ein Krankenhaus für den Einsatz einer “NUB” eine gesonderte, zum Teil, beträchtliche, Vergütung erhalten kann, während im ambulanten Bereich die Anwendung von “NUB” in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen nicht getragen wird.

Cross-references

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