Häufig wird in (Sozial-)Gerichtsurteilen und Gutachten der Medizinischen Dienste der Begriff einer Behandlungsmethode verwendet; auch im Sozialgesetzbuch kommt dieser Begriff vor.
Rechtsprechung
Verschiedenen Urteilen des Bundessozialgerichte lassen sich allgemeine Definitionen einer Behandlungsmethode und sozialrichterliche Begriffsdefinitionen einer Methode entnehmen.
Insbesondere formulierten die Richter des Bundessozialgerichts Merkmale, die eine “neue” Methode gegenüber eine herkömmlichen Methode kennzeichnen sollen.
Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM)
Urteil des Bundessozialgerichts (Aktenzeichen B 1 RK 32/95) vom 16.09.1997 – Zitat aus dem Urteilstext:
“Als noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehörig und damit “neu” iS des § 135 Abs 1 SGB V sieht der Bundesausschuss gemäß Ziff. 5 der NUB-RL solche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden an, die noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) enthalten oder die dort zwar aufgeführt sind, deren Indikationen aber eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren haben (zu letzterem vgl Urteil des 6. Senats des BSG vom 20. März 1996 – BSG SozR 3-5533 Nr 3512 Nr 1 S 2 ff; zum Verhältnis von NUB-RL und EBM-Ä ferner BSGE 79, 239 = SozR 3-2500 § 87 Nr 14). Ob allein durch die Prüfung anhand des EBM-Ä alle noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zählenden neuen Methoden verläßlich erfaßt werden können oder ob es, etwa im Streit um die Anerkennung einer neuartigen Arzneimitteltherapie, weiterer Kriterien bedarf, braucht aus Anlaß des vorliegenden Rechtsstreits nicht entschieden zu werden.“ |
Randbemerkung:
Am 16.09.1997 wurden vom Bundessozialgericht insgesamt fünf Urteile zu “Neuen Methoden” ausgesprochen, die in der Folge von verschiedensten Seiten intensiv und kontrovers diskutiert wurden.
Eines der fünf Urteile, mit dem Aktenzeichen “1 RK 28/95”, war später Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das zum Beschluss vom 6. Dezember 2005 und zur Zurückverweisung des Falles an das BSG führte. Dieser Beschluss wird seither allgemein als “Nikolausbeschluss” bezeichnet.
In dem vom Bundesverfassungsgericht zurückverwiesenen Fall wurde im Nachgang zu dem “Nikolausbeschluss” am 27.03.2006 ein Vergleich abgeschlossen, der eine teilweise Kostenerstattung für so genannte “immunbiologische Therapien” durch die involvierte Krankenkasse beinhaltete. Der Volltext des Urteils ist im Internet nicht veröffentlicht; es wurde vom BSG jedoch eine “Pressemitteilung Vergleich Az: B 1 KR 28/05 R” (PDF) herausgegeben.
Theoretisch-wissenschaftliches Konzept
In einem BSG-Urteil vom 23.07.1998 (Az.: B 1 KR 19/96 R), in dem es eigentlich um ein nicht zugelassenes Arzneimittel bzw. ein “in Serie produziertes” Rezepturarzneimittel ging, äußerten sich die BSG-Richter erneut zur Definition einer “neuen Behandlungsmethode”:
Eine medizinische Vorgehensweise erlangt jedenfalls dann die Qualität einer Behandlungsmethode, wenn ihr ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. |
In einem BSG-Urteil vom 28.03.2000 (Az.: B 1 KR 11/98 R), in dem es um eine “aktiv-spezifische Immuntherapie (ASI) ” ging, formulierte das BSG:
Zutreffend hat das Berufungsgericht die ASI als neue Behandlungsmethode iS von § 135 SGB V gewertet. In Abgrenzung zu einzelnen ärztlichen Maßnahmen oder Verrichtungen versteht das BSG unter einer Behandlungsmethode die auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise bei der Behandlung einer Krankheit. … Der Begriff der Behandlungsmethode hat schon vom reinen Wortsinn her eine umfassendere Bedeutung als der Begriff der ärztlichen Leistung in § 87 SGB V. Er bezeichnet das therapeutische Vorgehen als Ganzes unter Einschluß aller nach dem jeweiligen methodischen Ansatz zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlichen Einzelschritte. … Der therapeutische Nutzen und die Wirtschaftlichkeit einer Behandlungsweise lassen sich nur aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung aller zugehörigen Leistungen bewerten. Mit dem Begriff der Methode kann deshalb nicht die einzelne Maßnahme oder Verrichtung gemeint sein, die als abrechnungsfähige Leistung Eingang in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) findet. Ebensowenig kann sich die Überprüfung auf die eigenen, nach dem EBM-Ä abrechenbaren Leistungen des Arztes beschränken und die von ihm veranlaßten Sach- und Dienstleistungen Dritter unberücksichtigt lassen. Die veranlaßten Leistungen wie der Einsatz eines Medikaments oder die Anwendung eines Heilmittels sind Bestandteil der einheitlichen, unter der Verantwortung des Arztes stehenden Behandlung, deren Zweckmäßigkeit als Ganzes zu beurteilen ist. Besonders deutlich wird das bei einer aus Dienst- und Sachleistungen zusammengesetzten Therapie, deren innovatives Element gerade in der Kombination der verschiedenen Maßnahmen liegt (…). … auch wenn … die Wirkung des Arzneimittels im Vordergrund steht und die Behandlung prägt, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. |