Sozialrechtlich
Bereits im Urteil des Bundessozialgerichts B 1 KR 1/02 R vom 19.02.2003 wurde höchstrichterlich festgestellt:
Erfordert die Adipositas eine ärztliche Behandlung, so belegt das zugleich die Regelwidrigkeit des bestehenden Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne.
Vor dem Hintergrund dieses Urteils ist die medizinisch behandlungsbedürftige Adipositas als Krankheit im Sinne des § 27 SGB V anzusehen.
Die Grenze zur Behandlungsbedürftigkeit besteht nach den damaligen Feststellungen des BSG bei einem Übergewicht mit einem BMI von mehr als 30. Ab dieser Grenze wurde im Jahr 2003 von den Sozialrichtern des BSG eine Behandlung mit dem Ziel einer Gewichtsreduktion als erforderlich angesehen. Begründet wurde das damals mit dem erhöhten Risiko für Begleit- und Folgeerkrankungen ab diesem BMI.
Nach der deutschen S3-Adiositas-Leitlinie besteht eine Indikation für die Behandlung übergewichtiger und adipöser Menschen bei:
- BMI ≥ 30,0 kg/m² oder
- BMI zwischen 25,0 und 29,9 kg/m² und gleichzeitigem Vorliegen übergewichtsbedingter Gesundheitsstörungen (z.B. Hypertonie, T2DM) oder einer abdominalen Adipositas oder von Erkrankungen, die durch Übergewicht verstärkt werden, oder auch bei hohem psychosozialen Leidensdruck!
- Siehe hierzu auch: Deutsche Adipositas-Gesellschaft e.V.: Definition der Adipositasgrade
Adipositas: Prognostische Auswirkungen
Auf den Webseiten der Assmann-Stiftung werden die Zusammenhänge zwischen Übergewicht und assoziierten Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall, ausgehend von den Daten der PROCAM-Studie, analysiert und beschrieben.
2016 erschien eine Meta-Analyse, die später scharf kritisiert wurde, weil sie systematisch alle Raucher und Ex-Raucher aus der Analyse ausgeschlossen hatte. Die Entfernung der Raucher aus der Analyse war allerdings von den Autoren damit begründet worden, dass man die bekannten, mortalitäts-steigernden Effekt des Rauchens gerade bewusst aus der Analyse heraushalten wollte.
Global BMI Mortality Collaboration, Di Angelantonio E, Bhupathiraju ShN, Wormser D, Gao P, Kaptoge S, Berrington de Gonzalez A, Cairns BJ, Huxley R, Jackson ChL, Joshy G, Lewington S, Manson JE, Murphy N, Patel AV, Samet JM, Woodward M, Zheng W, Zhou M, Bansal N, Barricarte A, Carter B, Cerhan JR, Smith GD, Fang X, Franco OH, Green J, Halsey J, Hildebrand JS, Jung KJ, Korda RJ, McLerran DF, Moore SC, O’Keeffe LM, Paige E, Ramond A, Reeves GK, Rolland B, Sacerdote C, Sattar N, Sofianopoulou E, Stevens J, Thun M, Ueshima H, Yang L, Yun YD, Willeit P, Banks E, Beral V, Chen Zh, Gapstur SM, Gunter MJ, Hartge P, Jee SH, Lam TH, Peto R, Potter JD, Willett WC, Thompson SG, Danesh J, Hu FB. Body-mass index and all-cause mortality: individual-participant-data meta-analysis of 239 prospective studies in four continents. Lancet. 2016 Aug 20;388(10046):776-86. doi: 10.1016/S0140-6736(16)30175-1. Epub 2016 Jul 13. PMID: 27423262; PMCID: PMC4995441.
Im Jahr 2010 wurde eine viel zitierte Studie publiziert. Diese zeigte, das bei Personen < 60 Jahren ein BMI von 20–25 kg/m2 mit der niedrigsten Mortalität assoziiert war. Die Ergebnissen der Studie enthielten allerdings auch Daten, wonach das optimale Gewicht bei älteren Personen möglicherweise höher liegen könnte.
Berrington de Gonzalez A, Hartge P, Cerhan JR, Flint AJ, Hannan L, MacInnis RJ, Moore SC, Tobias GS, Anton-Culver H, Freeman LB, Beeson WL, Clipp SL, English DR, Folsom AR, Freedman DM, Giles G, Hakansson N, Henderson KD, Hoffman-Bolton J, Hoppin JA, Koenig KL, Lee IM, Linet MS, Park Y, Pocobelli G, Schatzkin A, Sesso HD, Weiderpass E, Willcox BJ, Wolk A, Zeleniuch-Jacquotte A, Willett WC, Thun MJ. Body-mass index and mortality among 1.46 million white adults. N Engl J Med. 2010 Dec 2;363(23):2211-9. doi: 10.1056/NEJMoa1000367. Erratum in: N Engl J Med. 2011 Sep 1;365(9):869. PMID: 21121834; PMCID: PMC3066051.
Adipositas: Ursache und Einflussfaktoren
Die Problematik der Adipositas-Entstehung wurde im Rahmen des Projekts “Visual Complexity” veranscchaulicht: “Obesity System Influence Diagram – developed for the Foresight Tackling Obesities project“.