Krankheitsfolgen, Folgekrankheiten

Wenn ein Gesundheitsproblem eine Folge-Erkrankung einer anderen, bereits behandelten Erkrankung ist und/oder wenn ein Residualzustand nach Therapie einer anderen Erkrankung besteht, kann folgende Einschätzung des Bundessozialgerichts zum Tragen kommen:

"Zieht eine Krankheit in unbehandeltem oder behandeltem Zustand zwangsläufig oder mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Erkrankungen nach sich, so sind medizinische Maßnahmen, die dem entgegenwirken und eine Verschlechterung des Gesamtgesundheitszustandes verhüten sollen, als Behandlung der Grundkrankheit und damit als Krankenbehandlung i.S. des § 27 Abs. 1 SGB V aufzufassen."

Siehe auch Ärzte Zeitung, 12.03.2010.

Siehe auch : Bundessozialgericht, Terminbericht Nr. 6/10 (zur Terminvorschau Nr. 6/10) (PDF):

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG erfolgreich. Für die Entscheidung, ob die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V erfüllt sind, bedarf es weiterer Feststellungen des LSG. Dazu müsste die Klägerin die Kryokonservierung und Lagerung von Eierstockgewebe als Teil einer Krankenbehandlung zur Wiederherstellung der Empfängnisunfähigkeit iS des § 27 Abs 1 SGB V beanspruchen können. Insoweit fehlt es an Feststellungen zum Eintritt des Versicherungsfalls der "Krankheit", der abzugrenzen ist vom Versicherungsfall der künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V. Ginge es bei der Behandlungsmethode um Leistungen nach § 27a SGB V, hätte die Klägerin keinen Leistungsanspruch, denn diese Regelung erfasst nur Maßnahmen, die einem natürlichen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen (vgl bereits BSGE 86, 174 = SozR 3-2500 § 27a Nr 1). Sollte dagegen auf Grund der bei der Entnahme des Gewebes bestehenden Krebserkrankung und der Behandlungsfolgen durch die Chemotherapie eine unmittelbare, konkrete Gefahr des Verlustes der Empfängnisfähigkeit der Klägerin bestanden haben, wäre dies für die Annahme einer "Krankheit" ausreichend. Ob die Entnahme, Lagerung und spätere Reimplantation des Eierstockgewebes unter dem Aspekt des Qualitätsgebots ( § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) eine von der Leistungspflicht umfasste Behandlungsmethode war, hängt auch davon ab, ob die Reimplantation als wesentlicher Teil der Behandlungsmaßnahme entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst regelmäßig als ambulante Behandlung oder als stationäre Krankenhausbehandlung durchzuführen ist. Ein Anspruch auf eine ambulante Versorgung könnte – sofern kein Ausnahmefall vorliegt – daran scheitern, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die neue Methode noch nicht zur Anwendung in der GKV empfohlen hat. Für den (alternativ in Betracht kommenden) Anspruch der Klägerin auf Krankenhausbehandlung bedarf es trotz Fehlens eines Negativvotums nach § 137c SGB V der Feststellung, dass die streitige Maßnahme dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Den insoweit bestehenden Hinweisen, dass es sich um eine Behandlungsmethode handelt, die sich noch "im experimentellen Stadium" befindet, muss das LSG im weiteren Rechtsstreit nachgehen, soweit die Frage entscheidungserheblich ist. Sollte ein Naturalleistungsanspruch der Klägerin bestehen, müsste das LSG schließlich das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs feststellen. Die beantragte Lagerung des Eierstockgewebes längstens bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin (entsprechend der in § 27a Abs 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Altergrenze) erscheint sachgerecht.

Medizinische Maßnahmen, die der Behandlung der gesundheitlichen Folgen der ursprünglichen (sozialrechtlich unstrittig anerkannten) Erkrankung dienen, können somit auch als Behandlung der ursprünglichen Erkrankung anzusehen sein.

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