Abgrenzung / Begriffsklärung
Der Begriff Apherese subsumiert eine Reihe technisch unterschiedlicher Verfahren mit ebenfalls sehr unterschiedlichen therapeutischen Zielsetzungen.
Allgemeine Beschreibung
Die Apherese ist ein Verfahren der extrakorporalen Blutreinigung, bei dem das Blut in der Regel in seine zellulären und plasmatischen Komponenten (rote Blutzellen, weiße Blutzellen, Blutplättchen und Plasma) aufgetrennt wird und eine oder mehrere dieser Komponenten bzw. Blutbestandteile aus dem Blut entfernt werden.
Eine therapeutische Hämapherese mit dem Ziel der Verbesserung der Blutflusseigenschaften und der Mikrozirkulation wird von einigen Arbeitsgruppen auch als Hämorheotherapie oder Rheopherese bezeichnet (Zitiert aus: “Therapeutische Hämapheresen – Zusammenfassender Bericht des Arbeitsausschusses Ärztliche Behandlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beratungen gemäß §135 Abs.1 SGB V” vom 25.07.2003).
Die Begriffe Apherese, Hämapherese und zum Teil auch der Begriff Plasmapherese werden in der Literatur häufig synonym verwandt.
Die Abteilung Transfusionsmedizin der Uniklinik Ulm hat eine schöne Patientenseite zur Apherese, der man entnehmen kann, dass letztlich auch ein Aderlass als Apherese bezeichnet werden könnte – und zwar als Apherese, bei der eben alle Blutbestandteile entfernt werden.
Apherese-Standard
Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie veröffentlicht regelmäßig einen Apherese-Standard, der einen Überblick über die verschiedenen Verfahren der therapeutischen Apheresebehandlung sowie deren Einsatzmöglichkeiten bei unterschiedlichen Krankheitsbildern gibt.
Internationale Leitlinien:
Padmanabhan A, Connelly-Smith L, Aqui N, et al. Guidelines on the Use of Therapeutic Apheresis in Clinical Practice – Evidence-Based Approach from the Writing Committee of the American Society for Apheresis: The Eighth Special Issue. J Clin Apher. 2019 Jun;34(3):171-354. doi: 10.1002/jca.21705.
Zielsetzung von Apherese-Behandlungen
- Erythrozytapherese: Entfernung/Gewinnung von Erythrozyten
- Leukapherese: Entfernung/Gewinnung von Leukozyten
- Stammzellapherese: Entfernung/Gewinnung von Stammzellen
- Thrombozytapherese: Entfernung/Gewinnung von Thrombozyten
- Plasmapherese: Abtrennung des Blutplasmas vom Vollblut
- Lipidapherese oder LDL-Apherese: Abtrennung von Cholesterin und Blutfetten
- Apherese krankheitsverursachender Substanzen
Technische Verfahren
Zum einen lässt sich unterscheiden in selektive und unselektive Apherese-Behandlungsverfahren.
Als unselektives Aphereseverfahren gilt nur die Plasmapherese.
Für die selektive Apherese kommen verschiedene Techniken zum Einsatz wie Filtration, Präzipitation oder Adsorption:
Präzipitation
Ein bekanntes Präzipitations-Apherese Verfahren ist die Heparin-induzierte extrakorporale LDL-Präzipitation (H.E.L.P.), die häufig auch mit der “LDL-Apherese” gleichgesetzt wird. Präzipitations-Apherese-Verfahren nutzen Änderungen der Plasma-Löslichkeit durch Ansäuerung oder durch Abkühlung. Hierdurch werden hochmolekulare Plasmaproteine zur Absetzung (Präzipitation) gebracht.
Die H.E.L.P.-Apherese wurde zeitweise von Fachleuten als Behandlungsmöglichkeit bei Gleichgewichts- und Gehör-Problemen diskutiert.
Im Gefolge der Corona-Pandemie ist die Apherese – und hier insbesondere die H.E.L.P. – als mögliche Behandlung bei einem “Post-COVID”- oder “Long-COVID-Syndrom” wieder in den Fokus des Interesses gerückt.
Hierzu kann folgende Recherche in der Medline/PubMed-Datenbank bis zum jetzigen Zeitpunkt publizierte wissenschaftliche Beiträge aufzeigen:
Adsorption
Bei den Adsorptions-Apherese-Verfahren werden die zu entfernenden Substanzen spezifisch an bestimmte Moleküle gebunden, so genannte “Adsorptionsliganden”, die im Inneren eines Durchflusssystems (“Säule”) fest verankert sind.
Verfahren, bei denen die Adsorption immunologisch vermittelt wird (Antigen-Antikörperreaktion), werden umgangssprachlich als “Immunadsorption” oder “Immunapherese” bezeichnet.
Immunapheresen werden eingesetzt zur Entfernung (Elimination) von Immunglobulinen oder Immunkomplexen aus dem Blut. Die Immunapherese wird in der Behandlung von Autoimmun-erkrankungen außervertragliche eingesetzt.
Ein Sonderfall der Adsorptionstechnik ist das DALI-(direct adsorption of lipoproteins-)Verfahren. Es handelt sich eigentlich um ein Hämoperfusionsverfahren, das auch zur LDL-Apherese eingesetzt wird.
Filtration
Bei der Kaskadenfiltration (Doppelmembranfiltration, Membran-Differential-Filtration, Doppelfiltrations-Plasmapherese) wird das Plasma nach der Primärseparation durch einen (weiteren) Filter geleitet, dessen Poren idealerweise nur für “erwünschte” Plasmabestandteile durchgängig sind. “Unerwünschte” Substanzen sollen hingegen im Filter zurückgehalten werden. Aufgrund des Funktionsprinzips der Doppelmembranfiltration findet die Trennung in “erwünschte” und “unerwünschte” Plasmabestandteile rein anhand der Molekülgröße statt. Kleine Moleküle können nicht zurückgehalten werden; größere Moleküle werden aus dem Plasma entfernt, auch wenn es sich um eigentlich “gesunde” Immunglobuline handelt.
Die Doppelmembranfiltration oder Kaskadenfiltration wird, wie die LDL-Apherese-Verfahren, auch gelegentlich zur Rheopherese, mit dem Ziel eine Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes eingesetzt.
Weitere Indikationen sind z. B. altersbedingte Makuladegeneration, diabetische Retinopathie oder die Behandlung bei Hörsturz/Tinnitus oder diabetischem Fuß-Syndrom.
Gelegentlich wird das Verfahren auch als Selbstzahler-Leistung “zur Entfernung (Elimination) von Immunkomplexen” angeboten.
Vom Deutschen Berufsverband der Umweltmediziner e.V. wurde die Doppelmembranfiltrationsapherese als Chemopherese zu Entfernung “toxischer Immunkomplexe” propagiert.
Leistungsvoraussetzungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
Die Apherese ist eine Behandlungsmethode, die in der Richtlinie “Methoden Ambulante Versorgung” des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nur in ganz bestimmten Indikationen als positiv bewertete Regelleistung der GKV genannt wird.
Diese Indikationen sind:
(1) Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie in homozygoter Ausprägung oder Patienten mit mit schwerer Hypercholesterinämie, bei denen grundsätzlich mit einer über zwölf Monate dokumentierten maximalen diätetischen und medikamentösen Therapie das LDL-Cholesterin nicht ausreichend gesenkt werden kann. Im Vordergrund der Abwägung der Indikationsstellung soll das Gesamt-Risikoprofil des Patienten stehen.
(2) Patienten mit isolierter Lp(a)-Erhöhung über 60 mg/dl und LDL-Cholesterin im Normbereich sowie gleichzeitig klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierter progredienter kardiovaskulärer Erkrankung (koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder zerebrovaskuläre Erkrankungen).
In Anlage 1, § 6 des Kapitels “Ambulante Durchführung von Apheresen als extrakorporales Hämotherapieverfahren” der Richtlinie “Methoden Ambulante Versorgung” hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zusätzlich bestimmt, dass Kommissionen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen einzurichten sind, welche die Indikationsstellung zur Apherese fachkundig beraten sollen.
Voraussetzung für die Durchführung einer jeden Apherese-Therapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ist es demnach, dass die Notwendigkeit der Apherese im Einzelfall von der Apherese-Kommission der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bestätigt wird.
In allen Indikationen, die nicht explizit in der “Anlage I” der Richtlinie “Methoden Ambulante Versorgung” aufgezählt sind, muss ein Antrag entweder bei der regional zuständigen Apheresekommission oder bei der zuständigen Krankenkasse auf eine Leistung als Einzelfallentscheidung gestellt werden.
Im Rahmen einer genehmigten LDL-Apherese können gesetzlich Krankenversicherte diese als so genannte Sachleistung erhalten. Die Behandlung kann in diesen Fällen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) des Leistungskatalogs der Kassen (EBM) abgerechnet werden.
Nach Ansicht von Krankenkassen bzw. ihrer Medizinischen Dienste handelt es sich in allen Indikationen, die nicht explizit in der “Anlage I” der Richtlinie “Methoden Ambulante Versorgung” aufgezählt sind – und die auch nicht in dem Leistungskatalog “EBM” enthalten sind, um so genannte “NUB”, die nach der Begutachtungsanleitung außervertragliche Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) der Medizinischen Dienste nur bei “naher Todesdrohung” in völlig verzweifelten, alternativlosen Situationen als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Frage kommen.
Anmerkung: Ärzte, die Apheresen durchführen wollen, benötigen:
1. eine Genehmigung der KV nach der Vereinbarung zu Blutreinigungsverfahren gemäß § 135 Abs. 2 SGB V.
2. gemäß Anlage 1, § 6 des Kapitels “Ambulante Durchführung von Apheresen als extrakorporales Hämotherapieverfahren” der Richtlinie “Methoden Ambulante Versorgung” dürfen Apheresen durchführende Ärzte nicht selbst die Indikation für die Apheresen stellen – die Indikation sollte immer von mindestens einem anderen Arzt/Ärztin gestellt und von der Apherese-Kommission geprüft werden!
Quellen, Sonstiges Material
- Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (früher BUB-Richtlinie)
- Therapeutische Hämapheresen (selektive Verfahren mit Plasmadifferentialtrennung). Zusammenfassender Bericht des Arbeitsausschusses “Ärztliche Behandlung” des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beratungen gemäß §135 Abs.1 SGB V. 25.07.2003.