Erlaubnisvorbehalt in der gesetzlichen Krankenversicherung

Erlaubnisvorbehalt des G-BA gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Abgrenzung zu § 87 Abs. 3e Satz 4 SGB V

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verwendet auf seinen Webseiten im Einleitungstext zum Themenbereich “Methodenbewertung” (Quelle: www.g-ba.de/themen/methodenbewertung/) die Formulierung eines “Erlaubnisvorbehalts für neue Methoden im ambulanten Bereich“.
Diese Formulierung im Text auf den G-BA-Webseiten bezieht sich auf die Prüfung von Leistungen als “neue Methode nach § 135 SGB V. Für diese “Prüfung von Leistungen” finden sich im fünften Sozialgesetzbuch Regelungen an verschiedenen Stellen.

Neue Leistungen und neue Methoden gemäß GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG)

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), das am 16.07.2015 in Kraft trat, hat der Gesetzgeber folgende Regelung in den Absatz 3e in § 87 SGB V eingefügt:
“Der Bewertungsausschuss ist verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den einheitlichen Bewertungsmaßstab in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die nach § 135 Absatz 1 Satz 1 zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf.”

Damit besteht seit Inkrafttreten des GKV-VSG in § 87, Abs. 3e Satz 4, SGB V; (http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__87.html) eine Regelung, wonach zunächst der Bewertungsausschuss zu einer Einschätzung kommen muss, ob er eine neue Leistung als Methode einstuft oder nicht. Wenn der Bewertungsausschuss sich nicht für alleinig zuständig hält, muss er sich mit dem G-BA darüber verständigen, ob der G-BA die Leistung als neue Methode ansieht, die zunächst nach § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V bewertet werden muss.

Die Verfahrensordnung (VerfO) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wurde in der Folge des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes durch Beschluss vom 18.07.2019 angepasst.

Es wurden neue Bestimmungen zur Abgrenzung “neuer Leistungen” von “neuen Methoden Aussagen im 2. Kapitel: (“Bewertung medizinischer Methoden sowie Erprobung”) aufgenommen. Dort finden sich im 1. Abschnitt (“Allgemeine Bestimmungen zum Bewertungsverfahren”) in § 2, unter “Neue Methode” nunmehr folgende Ausführungen:

(1) Als “neue” Untersuchungs- und Behandlungsmethode für die Zwecke des §135 Abs. 1 Satz 1 SGB V können nur Leistungen gelten,
a) die nicht als abrechnungsfähige ärztliche oder zahnärztliche Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) oder Bewertungsmaßstab (BEMA) enthalten sind oder
b) die als Leistungen im EBM oder im BEMA enthalten sind, deren Indikation oder deren Art der Erbringung bei zahnärztlichen Leistungen einschließlich des zahntechnischen Herstellungsverfahrens, aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren haben.
(2) Bestehen Zweifel, ob es sich um eine “neue” Methode im Sinne der vorangehenden Definition handelt, so ist eine Stellungnahme des Bewertungsausschusses gemäß §87 SGB V einzuholen.
[…]
§ 2a Einvernehmen mit dem Bewertungsausschuss zur Einordnung als Methode
(1) Der für die vertragsärztlichen Leistungen zuständige Bewertungsausschuss ist gemäß § 87 Absatz 3e SGB V verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die gemäß § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf.
(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält vom Bewertungsausschuss das Ergebnis seiner Prüfung, die für die Beurteilung relevanten Gründe, sowie die vom Auskunftsberechtigten eingereichten Unterlagen. Die für die Beurteilung relevanten Gründe enthalten darüber hinaus Angaben zum medizinischen Hintergrund, Wirkprinzip und Anwendungsgebiet der angefragten Leistung. Die vom Bewertungsausschuss an die Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses vollständig übermittelten Auskunftsverlangen sind innerhalb von 3 Monaten nach deren Eingang zu bewerten.
(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft, ob es sich bei der angefragten Leistung um eine neue Methode handelt, die gemäß § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf.
(4) Zur Prüfung des Einvernehmens stützt sich der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere auf die vom Bewertungsausschuss übermittelten Unterlagen; er ist nicht zur Amtsermittlung verpflichtet.
[…]
(6) Über das Einvernehmen entscheidet der zuständige Unterausschuss mit den nach § 91 Absatz 2a Satz 4 SGB V geregelten Stimmrechten. Wird das Einvernehmen nicht erteilt, werden auch die Gründe, aus denen die Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses abweicht, dem Bewertungsausschuss mitgeteilt. … Das Antragserfordernis nach § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V bleibt auch dann bestehen, wenn einvernehmlich die Auskunft gegeben wurde, dass es sich um eine neue Methode handelt.
(7) Innerhalb von drei Monaten nachdem die Ablehnung des Einvernehmens durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bei der Geschäftsführung des Bewertungsausschusses eingegangen ist, werden der Bewertungsausschuss und der Gemeinsame Bundesausschuss das Einvernehmen zur Zuständigkeit bezüglich des Auskunftsersuchens herstellen. Die Geschäftsführung des Bewertungsausschusses koordiniert dieses Verfahren und überwacht insbesondere die Einhaltung der Frist.

(Quelle: Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses; im Internet hier verfügbar: https://www.g-ba.de/richtlinien/42/)

Abstimmung “Neue Leistung” – Wer kann fragen – Wer muss fragen

Ein Anrecht auf eine Auskunft des Bewertungsausschusses dazu, ob dieser eine bestimmte Leistung in eigener Verantwortung in den EBM aufnehmen kann – oder ob er davon ausgeht, dass es sich um eine “neue Methode” handelt, haben nach § 87 Abs. 3e Satz 5 SGB V nur pharmazeutische Unternehmer, Hersteller von Medizinprodukten, Hersteller von Diagnostikleistungen und deren jeweilige Verbände, einschlägige Berufsverbände, medizinische Fachgesellschaften und die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f.
Die Medizinischen Dienste und die einzelnen Krankenkassen oder der GKV-Spitzenverband (der aber natürlich selbst im Bewertungsausschuss vertreten ist) sind laut Gesetz nicht auskunftsberechtigt.

Durch die beschriebenen Regelungen ist das Prozedere festgelegt, das zur Aufnahme neuer Leistungen in den Regelleistungskatalog der ambulanten gesetzlichen Krankenversorgung zu befolgen ist.

Die Regelungen in § 87 Abs. 3e SGB V enthalten keine Einschränkung der Befugnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses. Nur der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist berechtigt, festzustellen, ob eine “neue Methode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V vorliegt und ob er eine Bewertung für erforderlich und sinnvoll hält.

Das Herstellen des Einvernehmens ist in § 87 Abs. 3e Satz 4 SGB V quasi nur in einer Richtung vorgesehen. Wenn der Bewertungsausschuss eine Leistung, die auch eine Methode sein könnte, neu in den EBM aufnehmen möchte, muss er ein Einvernehmen mit dem G-BA herstellen, bevor er die Leistung/Methode in den EBM aufnehmen kann.
Der G-BA hingegen muss nur “im Zweifel eine Stellungnahme” des Bewertungsausschusses einholen. Der G-BA kann auch Leistungen, die bereits Bestandteil des Leistungskataloges der GKV sind, einer Bewertung unterziehen. Das bedeutet, der G-BA benötigt vom Bewertungsausschuss ggf. nur eine Stellungnahme dazu, ob eine Methode, die er bewerten will, bereits im Einheitlichen Bewertungsmaßstab abgebildet ist oder nicht. Ein Einvernehmen ist in diesem Fall nicht erforderlich.
Für die Frage, ob es sich bei einer Leistung um eine “neue Methode” im Sinne des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V handelt, kommt aufgrund der gesetzlichen Regelungen nur dem Verfahren beim G-BA entscheidende Bedeutung zu.

Erlaubnisvorbehalt – Folgen der Einstufung als Methode

Der Erlaubnisvorbehalt bezüglich “neuer Methoden nach § 135 SGB V” hat zur Folge, dass alle Methoden, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss als “neue Methode” für die Zwecke des § 135 SGB V eingestuft wurden, nicht nur keine Regelfall-Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, sondern das diese auch nicht (mehr) eigenständig durch den Bewertungsausschuss in den EBM aufgenommen werden können.

Wurde eine Leistung/Methode vom Bewertungsausschuss als “neue Methode” gemäß § 135 Abs. 1 SGB V eingestuft, folgt daraus zunächst noch nichts für die weitere Bewertung als “NUB”.

Die Einstufung als “NUB” kann nämlich vom G-BA (einseitig) auch nach der Abstimmung mit dem Bewertungsausschuss geändert werden, wenn dem G-BA zu einem späteren Zeitpunkt neue Erkenntnisse vorliegen. Das bedeutet, auch z.B. eine einvernehmlich von G-BA und Bewertungsausschuss vorgenommene Einordnung einer Leistung als “NUB” muss keinen Bestand haben. Wenn es im Fall einer solchen Leistung nicht zu einem Bewertungsverfahren kommt, so muss das also nicht zwangsläufig bedeuten, dass es sich um eine Methode im Sinne des § 135 SGB V handelt – auch, wenn diese Feststellung nach Einvernehmen von G-BA und Bewertungsausschuss zeitweise zutraf (siehe Tragende Gründe zum Beschluss vom 18.07.2019).

So wurde vom G-BA am 18.07.2019 ausgeführt:

“Stellt also der Auskunftsberechtigte nach einvernehmlicher Auskunft, es handele sich bei der von ihm vorgelegten Leistung um eine neue Methode, einen Antrag nach § 137e Absatz 7 SGB V, kann der Gemeinsame Bundesausschuss neben anderen Erwägungen auch eine Erprobung ablehnen mit der Begründung, es liege keine neue Methode vor, wenn er zu diesem Zeitpunkt über neue Erkenntnisse verfügt, welche der Auskunftsberechtigte bei Ersuchen um Auskunft im Rahmen des Verfahren nach § 87 Absatz 3e SGB V nicht vorgelegt hat.”

Wurde hingegen eine Leistung/Methode im Beratungsverfahren vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) negativ bewertet, werden in der Folge die Ermessensspielräume hinsichtlich positiver Einzelfallentscheidungen der Krankenkassen eingegrenzt auf Ausnahme-Situationen, wie sie in § 2 Abs. 1a SGB V beschrieben sind.

Diese Interpretation legt jedenfalls der G-BA selbst nahe. In seinem Informationsblatt “Voraussetzungen der Erbringung einer (neuen) Methode zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)” formuliert der G-BA:

In der ambulanten Versorgung § 135 Abs. 1 SGB V
Hier gilt nach § 135 Abs. 1 SGB V das sogenannte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nur erbracht werden, wenn der G-BA ihren diagnostischen oder therapeutischen Nutzen sowie die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit ausdrücklich anerkannt hat. Demnach sind neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, welche vom G-BA nicht positiv empfohlen worden sind, in der Regelversorgung nicht erstattungsfähig.

(Quelle: Informationsblatt des Gemeinsamen Bundesausschusses; im Internet hier verfügbar: https://www.g-ba.de/downloads/17-98-3563/Infoblatt_Voraussetzungen-Erbringung-Methode_2013-10-10.pdf)

Auf den Informationsseiten des G-BA zur “Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für die ambulante und/oder stationäre Versorgung” heißt es:

Nach Auswertung der schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen und Abschluss der Beratungen legt der Unterausschuss dem Plenum des G-BA eine Beschlussempfehlung zum Ergebnis des Bewertungsverfahrens vor:
– Die Methode wird über die Verankerung in einer der Richtlinien in den Leistungskatalog aufgenommen beziehungsweise bleibt als Versorgungsangebot erhalten, oder
– die Methode wird nicht in den Leistungskatalog aufgenommen beziehungsweise wird ausgeschlossen, oder
– das Bewertungsverfahren wird zeitlich befristet ausgesetzt, oder
– es wird unter Aussetzung des Bewertungsverfahrens eine Richtlinie zur Erprobung beschlossen.

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